Tromsø  - Aurora ist eine Diva

Wenn der Winter schon fast zu Ende ist und man sich auf steigende Temperaturen freut, ist eine Reise in den Norden und sehenden Auges in arktische Kälte für verfrorene Mitteleuropäer eine kleine Herausforderung. Aber einmal Polarlicht sehen, steht auf unserer Wunschliste ganz oben.

Die Planung steht schon seit Monaten – die Wahl einer geeigneten Zeit, der Erwerb geeigneter Kleidung, Flüge nach Tromsø, eine schöne Unterkunft und dort auf die Jagd nach dem grünen Licht gehen, mit Schiff, Kleinbus und Mietwagen.

Polarlicht kann man bei geeigneter Witterung und klarem Himmel zwischen Oktober und April sehen, wobei der Februar als der beste Monat gilt. Der Plan ist gut, die Temperaturen steigen kurz vor unserem Abflug auf erträgliche -5 bis 0 Grad Celsius an, doch der Himmel bezieht sich und schon vor der Abreise ist klar …. Das könnte nicht so funktionieren, wie geplant. Doch verschieben gilt nicht und kneifen schon gar nicht.

 

Tag 1

Wir starten an einem Sontag im Februar mit dem Zug nach Hamburg und fliegen von dort nach Tromsø  - 2850 km in den Norden an den Rand an den südlich Polarkreis, ans Polarmeer. Schon aus dem Flugzeug sieht man eine zerklüftete, verschneite Küste, lange Fjorde und Seen, über denen spektakulär die Sonne untergeht.  Wir landen etwas verspätet und nutzen den öffentlichen Nahverkehr, um 20 Minuten ins Zentrum der Stadt zu fahren – unser Hotel liegt direkt am Hafen mit Blick auf die Brücke zur nördlichen Insel. Als wir ankommen, ist es schon stockdunkel und es schneit. Wir checken ein, essen im Hotel zu Abend, ziehen uns warm an und schauen uns in Tromsø um.

Unser Spaziergang führt uns über die Brücke zur Eismeerkathedrale und bergauf in Richtung des Hausbergs Fjellheisen. Geplant haben wir eigentlich mit der Bergbahn auf die Gipfelstation zu fahren und die erste Möglichkeit zu nutzen, Polarlicht zu sehen. Doch es schneit immer heftiger und wir geben erst einmal auf.

Tag 2

Nach dem Frühstück im Hotel erkunden wir Tromsø bei Tageslicht. Es hat die ganze Nacht geschneit und das Wetter ist sehr winterlich. Während wir uns im Hotel kurz aufwärmen, können wir ein Schiff der Havila-Linie beim Einlaufen ans Hurtigruten-Terminal beobachten. Da wir wissen, dass man die Schiffe besuchen kann, nutzen wir die Gelegenheit, das sehr luxuriöse Postschiff Pollux zu besichtigen – sehr toll! Unser sofort gefasster Plan, mit einem der Havila-Schiffe Nord-Norwegen zu erkunden, erlebt einen herben Schlag, als wir uns online über die Preise informieren – unbezahlbar!

Die Zeit bis zum Abendessen vertreiben wir uns mit einem Besuch im Tromsø Kunstmuseum und einer Ausstellung samisch-feministischer Kunst – sehr empfehlenswert, auch der Museumsshop, der samisches Kunsthandwerk anbietet.

Für heute Abend planen wir eine Schifffahrt mit einem Elektro-Katamaran durch die Fjorde auf der Jagd nach Nordlicht. Das Schiff hat sowohl einen großen Außenbereich als auch einen komfortablen und warmen Innenbereich und ist mit 60 Mitfahrern nicht überfüllt. An der Bar kann man Getränke kaufen oder ein (vorbestelltes) Dinner erstehen. Während der Fahrt werden Vorträge über das nordische Klima, die Fauna und die Entstehung des Polarlichtes angeboten. Leider beginnt es wieder heftig zu schneien und die Aussicht auf Nordlicht sinkt mit jeder Stunde.

Wir lernen allerdings, dass das menschliche Auge Nordlicht oft nur als Schemen oder graue Wolke wahrnimmt und nur die Kamera die Farbe zeigt ….  Wir starren also in die Wolken, strecken unsere Handys gen Himmel und sehen …. heute leider nichts.

Nach unserer Rückkehr trösten wir uns mit einem Besuch in den Ølhallen – der Bar der ehemals nördlichsten Brauerei Europas von Ludwig Markus Mack – einem deutschen Braumeister!

Heute befindet sich die angeblich nördlichste Brauerei auf Spitzbergen, noch einmal 920 km weiter im Norden.

Tag 3

Für heute haben wir ein Auto gemietet, das wir am Flughafen abholen. Da es wieder die ganze Nacht geschneit haben und das Auto im Freien steht, müssen wir es erst einmal ausgraben, sind aber sehr froh über das Upgrade – zur Verfügung steht uns ein  SUV mit Vierradantrieb und Spikes.

Wir planen eine Fahrt zur Insel Sommaroya und eine Fjordtour zum Fischerort Tromvik. Nachdem wir uns anfänglich verfahren und die Nebenstrecke nach Sommaroya gesperrt ist, fahren wir entlang des Kaldfjorden und des Ersfjorden  Richtung Tromvik. Kleine und große Busse zeigen, dass wir auf einer touristisch beliebten Tour unterwegs sind, was nicht weiter schlimm ist, da das Land so weit und groß ist, dass sich sogar große Gruppen verteilen und man nur an besonders spektakulären Aussichtspunkten auf Menschen trifft.

Die Landschaft ist weit, karg und schneebedeckt. Der Himmel hat sich aufgeklart und das Blau spiegelt sich in den Fjorden – die Stimmung ist magisch schön.

Tromvik ist nur eine Ansammlung von Häusern, ein paar Boote ankern an kleinen Stegen … nichts sonst, kein Hotel, kein Geschäft, kein Café. Dafür liegt vor uns das Polarmeer – dank Golfstrom ohne Eisschollen, aber arktisch blau-grau.

Zurück Ri. Tromsø versorgen wir uns mit Kaffee und Gebäck in einem großen Supermarkt und fahren Ri. Süden über die Halbinsel Kvaløya dann über die Insel Hakøya, von der man einen guten Blick auf den Flughafen von Tromsø hat. Ein Mahnmal am Strand erinnert an die Stationierung und den Untergang des deutschen Kriegsschiffes Tirpitz.

Zurück in Tromsø parken wir unser Gefährt und machen uns auf den Weg, ein gerade eingelaufenes Hurtigruten-Schiff zu besichtigen – etwas weniger luxuriös als die Havila-Line, dafür auch für Normalsterbliche erschwinglich. Neben dem Postschiff der Hurtigruten liegt ein Kreuzfahrtschiff am Kai, gegen das das Postschiff Nordlys wie ein Ruderboot aussieht …

(Tromsø wird jeden Tag von Postschiffen angefahren – nachts auf der Südroute, am Nachmittag um 14.15 auf der Nordroute. Am Nachmittag bleiben die Schiffe 4 Std. im Hafen liegen und dürfen gegen Vorlage eines Ausweises besichtigt werden.)

Gegen Abend treffen wir Carina, eine deutsche Tourenveranstalterin,  die sich mit einer Gruppe Schweizer auf Nordlicht-Jagd begibt. Sie gibt uns den Tipp landeinwärts zu fahren und Gegenden aufzusuchen, in denen es möglichst wenige Lichtquellen gibt.

Nach dem Abendessen im Hotel machen wir uns zunächst einmal auf den Weg Ri. Sandvik, gegenüber der Tromsø Insel – doch selbst am Strand ist es nicht dunkel genug, zu besiedelt ist die Gegend.

Also beschließen wir, mit der Bergbahn auf den Fjellheisen – den Hausberg Tromsøs gegenüber dem Hafen, zu fahren. Sie ist bis Mitternacht in Betrieb und führt auf ein weites Bergplateau, auf dem es tatsächlich völlig dunkel ist. Unter uns glitzert Tromsø, hinter uns liegen schneebedeckte Berge. Ausgestattet mit einer Thermosflasche Tee stapfen wir durch den Schnee bergauf und bleiben fast bis zum Betriebsschluss der Bahn. Doch auch heute zeigt sich kein Nordlicht – Aurora ist eine Diva, wie man sagt. Warum sollte sie tanzen, wenn wir darauf warten??

Tag 4

Am Morgen bringen wir unser Auto wieder zum Flughafen und fahren mit dem Bus durch die Außenbezirke von Tromsø zurück ins Zentrum. Außerhalb der Stadt begreift man, welche Schneemassen hier über den Winter niedergehen und sieht, wie gelassen die Bewohner mit den widrigen Wetterverhältnissen umgehen. Nur wenige Straßen sind geräumt, der Verkehr rollt fast überall über eine dicke Schneedecke, man geht vorsichtig auf glattem Eis oder zieht vorsichtshalber Spikes über die Schuhe. Auf dem Schulhof spielen die Kinder dick eingepackt auf Schneebergen und im Dunkeln führen die Leute ihre Hunde mit reflektierenden Westen und blinkenden Leinen aus. Autos fahren innerhalb der Stadt vorsichtig und rücksichtsvoll, so dass man sich auch auf glattem Untergrund sicher bewegen kann.

Carina schreibt, sie habe mit ihrer Gruppe um 00.40 Polarlicht über Tromsø gesichtet – schade, da waren wir schon im Bett.

Heute schauen wir uns nochmal in Tromsø um, besuchen Polaris, das Polarmuseum (nur von außen) und suchen den Tromsø Dachshund, der fast völlig unter Schnee begraben über den Hafen schaut. Am Nachmittag legt wieder ein Postschiff an, das wir besichtigen können.

Bei einem frühen Bier in der Agenturen-Bar überlegen wir, wie wir in unserer letzten Nacht noch einmal auf Polarlicht-Jagd gehen können. Das Befragen mehrerer Aurora-Apps und der Wetter App lässt erkennen, dass zwischen 2.00 und dem frühen Morgen der Himmel fast völlig klar sein dürfte.

Wir erwägen eine weitere Bootsfahrt – leider ausgebucht – oder eine weitere Fahrt auf den Fjellheisen – doch das dürfte für unsere Jagd noch zu früh sein. Also gehen wir auf die Suche nach dunklen Stellen, die wir zu Fuß und mitten in der Nacht erreichen können. Wir stellen den Wecker und ziehen um 2.30 los. Der Himmel ist fast klar, die Stadt ist menschenleer und am schönsten ist es auf einem langen Bootsanleger vor dem Hotel. Doch erfolgreich sind wir tatsächlich oberhalb der Stadt an einem kleinen Park. Der Himmel wabert grau über uns und als wir die Handy-Kameras zücken, zeigt Aurora sich – nur einen Moment und weniger tanzende Bänder als ein schmaler grüner Streifen, aber sie ist da und wir sehen sie….. und es ist wunderbar!

 

Tag 5

Glücklicherweise können wir heute ausschlafen und müssen erst gegen Mittag auschecken. Am Nachmittag geht der Flug zurück nach Deutschland – unter uns wie auf dem Herflug eine wilde Winterlandschaft – fast wie gemalt …

 

 

 

Infos zu Tromsø

Was man in Tromsø machen kann ….. (zu Fuß)

  • am Hafen entlang und durch die Stadt bummeln
  • am Hurtigruten-Terminal Schiffe besichtigen
  • Museen besuchen – das Kunstmuseum, Polaris, das Amundsen-Museum, das Troll-Museum
  • die Eismeerkathedrale bewundern
  • mit der Seilbahn auf den Hausberg Fjellheisen fahren (tagsüber oder in der Nacht)
  • … auf Polarlicht warten

Um Tromsø herum kann man (mit einem Auto)….

  • zur Insel Sommaroya fahren – man sagt, sie sei eine Südseeinsel im Polarmeer
  • entlang der Fjorde Kaldfjorden und Ersfjorden nach Tromvik fahren
  • über die Halbinsel Kvaløya und die Insel Hakøya fahren
  • nachts Nordlicht in der Umgebung von Tromsø das Nordlicht suchen ….

Ausflüge, die man buchen kann …

(Ausflüge kann man vorab online oder vor Ort buchen, aufgrund des schlechten Wetters haben wir nur eine Bootsfahrt mit Brim Explorer gemacht – ein Tipp von Carina)

  • eine Schifffahrt um Tromsø tagsüber oder in der Nacht (Brim Explorer)
  • nächtliche Bustouren auf der Jagd nach dem Nordlicht (viele Anbieter)
  • Hundeschlittentouren
  • Motorschlittentouren
  • Besuch einer Husky- oder Rentier Farm
  • geführte Skitouren (aufgrund von Lawinengefahr immer mit Guide)

die Kosten

  • gut gelegene Hotels bekommt man mit ÜF ab etwa 200 € (wir haben für ein komfortables 4 Sterne Hotel am Hafen mit – bescheidener – Halbpension 400€ pro Nacht für 2 Personen bezahlt
  • öffentliche Busse im Stadtbereich (auch vom Flughafen ins Zentrum) kosten 4€ für 1,5 Std in und nur 2€ außerhalb der Hauptverkehrszeiten (off peak)
  • Lebenshaltungskosten sind etwa doppelt so hoch wie in Deutschland, wir bezahlten 4,50€ für einen Kaffee, 12€ für 0,5 l Bier in einer Kneipe, 25€ für eine Pizza
  • Mietwagen sind sehr teuer – wir bezahlten 200€ für einen Kleinwagen pro Tag, bekamen aber ein Upgrade auf einen Hybrid SUV mit Allradantrieb, was sehr komfortabel war
  • Für 10 Min Fahrt auf den Hausberg bezahlt man 25€/Person

 

Wir haben uns vorab viele Gedanken über die richtige Ausstattung für den Polarkreis gemacht, da noch kurze Zeit vor unserer Reise sowohl nachts als auch tagsüber Temperaturen bis -20 herrschten. Während unseres Aufenthalt schwankten die Temperaturen allerdings zwischen  -8 bis 0 Grad und es schneite teilweise heftig. Unsere Ausstattung nach dem Zwiebelprinzip hat sich in allen Teilen als richtig erwiesen:

  • Wasserdichte/-abweisende Wanderschuhe
  • lange Thermosocken
  • Skiunterwäsche (wenn möglich aus Merinowolle)
  • Dichte Handschuhe (z.B. Langlaufhandschuhe), evtl. Seidenunterhandschuhe
  • Wollpullover oder Fleece-Shirts
  • dünne Daunenwesten zum Unterziehen
  • eine wasserdichte/wasserabweisende lange Daunenjacke o.ä.
  • Mützen, Buffs, Schals
  • Rucksäcke und Thermosflaschen für nächtliche Polarlicht-Jagden
  • Handy mit guter Kamera oder – natürlich – eine gute Kameraausrüstung mit Stativ
  • hilfreich sind Polarlicht – Apps wie Aurora - sie zeigen an, wo und mit welcher Wahrscheinlichkeit man Polarlicht erleben kann. Und wenn man es verpasst, stellen Nutzer die Bilder ein, die man selbst gerne gemacht hätte …..

 

Fazit

Eine Reise an den Polarkreis war für uns (eher Sonnenanbeter) eine ganz neue Erfahrung und wir waren mehr als begeistert von der Schönheit und der ganz eigenen Atmosphäre der Stadt und der Landschaft. Wider Erwarten sind wir mit der Temperatur und den langen Nachtstunden im Freien wunderbar zurechtgekommen.

Wir haben schnell begriffen, dass das Erscheinen von Nordlicht ganz eigenen Gesetzen folgt und waren glücklich, am letzten Abend noch eine kurze Begegnung zu erleben. Wir sind ganz sicher, dass dies nicht unsere letzte Reise nach Norwegen war – unsere nächste Verabredung mit der Diva ist schon in Planung.